Chekh, Nada: Eine Blume ohne Wurzeln

Von Wolfgang Krisai gezeichnetes Porträt der Autorin Nada Chekh.Von Wolfgang Krisai bei der „Literaturmeile Zieglergasse 2023“ gezeichnetes Porträt der Autorin Nada Chekh.

Eine Jugendliche zwischen Rebellion und Verzweiflung

Chekh, Nada: Eine Blume ohne Wurzeln

 

Nada Chekhs autobiografisches Buch, ihren Erstling, haben wir für die Schulbibliothek erworben. Die Autorin hat einen palästinensischen Vater und eine ägyptische Mutter, die nach Wien geflohen waren, bevor Nada zur Welt kam. Sie leben hier in einer „Community“ von arabischstämmigen Menschen, die eine Gesellschaft mit sehr rigiden Anschauungen und Verhaltensregeln ist.

Nada aber ist ein Mädchen, das sich in diese Welt nicht einordnen will und kann. Je älter sie wird, desto mehr empfindet sie die Community als ein Gefängnis. Da Ausbruchsversuche nicht gelingen, richtet sich ihre Wut auch gegen sie selbst; sie beginnt sich zu „ritzen“ und zieht sich total in sich selbst zurück. Eines Tages schneidet sie sich tief hinein, das Blut spritzt heraus, sie sagt zur Mutter, sie solle die Rettung rufen, und die Mutter reagiert mit: „Geh zur Seite, das Blut tropft auf den Teppich, da geht es nie mehr heraus!“ Nada ist über diese Reaktion entsetzt. (Erst Jahre später entschuldigt sich die Mutter dafür – was ein geradezu unvorstellbarer Akt ist, da eine arabische Mutter sich nicht bei der Tochter zu entschuldigen braucht.)

Dies führt aber wenigstens dazu, dass Nada in Therapie gehen darf (der Vater führt sie hin und holt sie wieder ab), schließlich Slawistik studiert, dabei einen jungen Slawisten kennenlernt, den sie schließlich sogar heiratet. Von der Familie und der Community kann sie sich allmählich abnabeln und ein selbstbestimmtes Leben führen. Sie wird Journalistin bei der – 2023 eingestellten – Zeitschrift „Biber“.

Chekh schafft es, trotz aller Kritik an der arabischen Community und auch ganz konkret an ihren Eltern doch auch respektvoll, ja liebevoll über Eltern und Familie zu sprechen. Das ist ein Drahtseilakt, den sie erfolgreich vollführt.

Äußerst interessantes und erhellendes Buch!

Chekh, Nada: Eine Blume ohne Wurzeln. Wie ich Selbstbestimmung zwischen Doppelleben und Doppelmoral fand. Haymon, Innsbruck-Wien, 2023, 222 Seiten, mit 3 Zeichnungen der Autorin. D / CHE

Buchbesprechung: Wolfgang Krisai, 2023

Bild: Wolfgang Krisai: Nada Chekh, gezeichnet bei der „Literaturmeile Zieglergasse“, 16. 9. 2023.