Bild © Clare Zinnecker, 4A, 2017

Meter, Peer (Text); Yelin, Barbara (Bilder): Gift

Die in München geborene Zeichnerin Barbara Yelin zeichnete diese Graphic Novel nach einem Storyboard von Peer Meter in einem für Comics ungewöhnlichen Stil: Kohlezeichnungen, die ihre atmosphärische Wirkung durch Verwischen und Hineinradieren erhalten.

Doppelter Rahmen

Aufgebaut ist die Novel als eine Folge von Erzählungen in einem doppelten Rahmen:
Den äußeren Rahmen bildet ein Gespräch einer älteren mit einer jungen Frau etwa 1870 anfangs in der Bahn, dann in Bremen. Der Zug wird nach Bremen umgeleitet, und da fällt der älteren Dame plötzlich eine Begebenheit ein, die sie als junge Frau 1831 in Bremen erlebt hat.

Giftmörderin

Die Frau erzählt auf der Fahrt bis Bremen dann diese Geschichte:
Sie hatte 1831 vom Verleger Brockhaus den Auftrag, einen Reiseführer über Bremen zu schreiben, und kam von London aus dort hin. In der Stadt herrschte aber ein Ausnahmezustand, denn man baute gerade das Blutgerüst für eine Hinrichtung auf. Die Giftmörderin Gesche Gottfried sollte enthauptet werden. Die junge Frau fängt immer wieder Gesprächsfetzen über die Verurteilte auf, erfahrt dann von mehreren Männern und Frauen in längeren Erzählungen Einzelheiten über den grausigen Fall, den es übrigens wirklich gegeben hat.

Schmalzbrote mit Arsen

Gesche Gottfried war eine durchaus freundliche, hilfsbereite, freigiebige Frau, zum Teil auch recht freizügig, doch sie wurde heimgesucht von der Sucht, durch Rattengift, sogenannte “Mäusebutter” (mit Arsen versetztes Schmalz) Menschen zu töten oder zumindest schwer krank zu machen. Eine Art innerer Stimme befahl ihr, das zu tun. So brachte sie zunächst ihre drei Kinder, dann ihren Ehemann und weitere Männer und Frauen um, scheinbar wahllos, insgesamt 15 Menschen, und weitere 19 wurden von ihr zum Teil schwer gesundheitlich geschädigt.
In der Stadt wollte man das nicht mitbekommen haben. Ihr Haus stand im Ruf, es spuke dort und die Cholera breche dort immer wieder aus.
Als man ihr schließlich auf die Schliche kam und sie einsperrte und verurteilte, wollte man ein Exempel statuieren und sie daher keinesfalls als psychisch krank, was sie aber zweifellos war, einstufen, denn dann wäre sie nicht strafmündig gewesen. Sie wurde zum Tod verurteilt.

Hinrichtung

Die Bremer Gesprächspartner glauben, die junge Autorin wolle gar keinen Reiseführer, sondern ein Buch über Gesche Gottfried schreiben, und einer will ihr sogar eine Abschrift der geheimen Prozessakten verkaufen. Andere wollen sie so schnell wie möglich aus der Stadt haben, sodass es schließlich für sie gefährlich wird. All das spielt sich innerhalb eines Tages und einer Nacht ab. Als die Frau am nächsten Tag fliehen will, wird sie noch unfreiwillig Zeugin der Hinrichtung, dann verlässt sie Bremen. Sie ist empört, welch vorgestriger, frauenfeindlicher Geist in der Stadt Bremen in den Köpfen der führenden Leute herrscht und überzeugt, Frau Gottfried sei zu unrecht hingerichtet worden, außerdem auf auch für damalige Begriffe unmenschliche Weise in aller Öffentlichkeit.

Zurück im äußeren Rahmen erfahrt der Leser, dass die Autorin einst aus Protest gegen diese Hinrichtung an der Stelle, wo das Blutgerüst stand, einen schwarzen Stein mit einem Kreuz drauf in das Straßenpflaster einfügen ließ. Diesen Stein suchen die beiden Frauen nach der Ankunft in Bremen, finden ihn auch, und erleben, wie ein Vorübergehender darauf spuckt.
Im Nachwort steht, dass es in Bremen bis heute üblich sei, auf diesen Stein zu spucken.
Das Nachwort ist überhaupt ein Abschnitt, den man keinesfalls ungelesen überblättern sollte, denn man erfährt Genaueres über den historischen Hintergrund des Falls und über die beteiligten Personen, etwa den Verteidiger, der eine zwiespältige Rolle spielte, oder den Gefängnisgeistlichen, der seinerseits Gesche zu einem Geständnis weiterer Morde zwingen wollte.

Meter, Peer (Text); Yelin, Barbara (Bilder): Gift. Graphic Novel.

Reprodukt-Verlag, Berlin, 2010. 199 Seiten. Signatur: MC / MET

 

© W. Krisai, 2010

Bild © Clare Zinnecker, 4A, 2017

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