Wenn das Unbegreifliche zum Greifen nah ist

Aktuelles | 12. Juni 2016

SchülerInnen der 7A, 7B und 8A auf Studienfahrt nach Auschwitz

Ein Meer aus Löwenzahn und Gänseblümchen, warmer Sonnenschein und zwitschernde Vögel in den strahlend grünen Baumkronen – eine Frühlingsidylle, wie man sie nicht nur in Perchtoldsdorf, sondern auch in Oświęcim kennt. Oświęcim – Deutsch: Auschwitz – ist jedoch heute das Synonym für das Grauen, den Schrecken und den Genozid der NS-Zeit.

Wie die Idylle mit der grausamen Geschichte zusammenpasst, wollten 25 Schülerinnen und Schüler aus der 7A, 7B und 8A im Zuge einer Studienfahrt vom 22. bis 24. April 2016, initiiert von Mag.ª Elisabeth Morgenbesser, begleitet von Mag. Peter Morgenbesser sowie Mag.ª Ulrike Nuderscher, hautnah erfahren. Betreut wurden die Interessierten von drei Mitgliedern des Freiwilligenvereins „Gedenkdienst Österreich“, Johanna, Lukas und Samuel, die jederzeit für Fragen und Anliegen zur Verfügung standen. Der Lions-Club Perchtoldsdorf unterstützte die Exkursion in großzügiger Weise.
Den bedeutendsten Eindruck hinterlassen die Besichtigung des KZ Auschwitz und des Vernichtungslagers Birkenau. In zwei Gruppen starten wir die Tour auf dem Gelände des Konzentrationslagers, die von Guides geleitet wird. Wir bekommen einen Einblick in das „Leben“ der Inhaftierten (Widerständler, Politgegner und Juden), erhalten eine Ahnung von den dicht an dicht stehenden Backsteinbaracken und all jenen Orten der Peinigung und Grausamkeit gegenüber den Opfern der SS-Leute, was uns zutiefst erschüttert und schockiert. Persönlich wird mir ein Bild wohl niemals aus dem Kopf gehen: die Vitrine, sicher 4 × 5 Meter, voll mit Haaren von Inhaftierten, die ihnen unter Zwang abgeschoren worden waren, nur um als Mantelfutter für Winterbekleidung der NS-Leute zu dienen.

Spätestens in Birkenau bleibt wirklich kein Auge mehr trocken. Überrascht von der Weitläufigkeit des Areals, verhöhnt vom Schriftzug „Arbeit macht frei“ und berührt von den Schilderungen der Schicksale einzelner Häftlinge, erfahren wir Dinge, die Lichtjahre vom Vorstellbaren entfernt sind und für die es niemals und in keinster Weise Rechtfertigung, geschweige denn Entschuldigung geben kann und wird. Ruinen von Krematorien, Latrinen und Baracken, die uns die elenden Zustände von damals erahnen lassen; Stacheldrahtzäune und Wachtürme, die die Kontrolle sichtbar machen – all diese Eindrücke überzeugen uns, dass es politisch wie gesellschaftlich von höchster Bedeutung ist, über diesen Abschnitt der Geschichte zu informieren und aufzuklären.

Ein Verarbeitungsworkshop am Abend bietet Raum, über das Gesehene und Geschehene noch einmal nachzudenken und im Rahmen einer Gruppendiskussion Gedanken mit den anderen zu teilen.

Waclaw Dlugoborski, ein ehemaliger Häftling der Nazis, erzählt uns von seiner Zeit in einer polnischen Widerstandsbewegung, von seiner Inhaftierung, von Schmerz und Elend, das er erfahren hat, aber auch von niemals schwindender Hoffnung und dem Glauben an die Freiheit – all das im Rahmen eines Zeitzeugengesprächs. Vor uns steht ein Mann, der all jenen Opfern des Holocausts eine Stimme gibt und damit uns die Möglichkeit, das Unbegreifbare zumindest physisch greifbar zu machen.

Dem jüdischen Zentrum, das den touristischen Zugang und die Bildungsarbeit vor Ort ermöglicht, sei an dieser Stelle unser größter Respekt ausgesprochen.

Jasmine Koch, 7Af
(Dieser Beitrag wurde in der Schulzeitschrift „Die Schule“, Heft 83 vom 1. Juni 2016, erstveröffentlicht.)