Jirgl, Reinhard: Die Unvollendeten

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Reinhard Jirgl hat mich schon länger interessiert. Zunächst aufgrund der ganz banalen Tatsache, dass er wie Arno Schmidt – wenn auch bei weitem nicht im gleichen Ausmaß – die Satzzeichen unorthodox verwendet.
Heuer, 2010, hat er nun den Büchner-Preis bekommen. Ein weiterer Grund, sich mit diesem Autor, den manche für einen der bedeutendsten deutschen Gegenwartsschriftsteller halten, zu beschäftigen.

Zum Stil:

Jirgl schreibt einen recht lebendigen Stil, und um zum Beispiel überbetonte, ja herausgeschriene Wörter zu betonen, setzt er ein Rufzeichen davor. Das Wort „ein“ ersetzt er grundsätzlich durch die Ziffer 1, was leider aber nicht dasselbe ist, denn „eins“ hat noch ein S hinten dran, das man sich dann immer wegdenken muss. Das Wort „acht“ (etwa in „Achtung“) ersetzt er seltsamer Weise nicht durch „8“, sodass der Einer etwas ver1amt bleibt, auch wenn er oft vorkommt…

Zum Inhalt:

Erzählt wird das Schicksal einer Familie, die aus dem Sudetenland im Jahr 1945 vertrieben wird und sich in einem ostdeutschen Dorf ansiedelt. Eigentlich handelt es sich nur noch um die weiblichen Reste einer Familie, nämlich um Großmutter, Mutter, Tante und Tochter. Sie müssen sich mühsam durchschlagen und ebenso mühsam gegen den Widerstand missgünstiger Einheimischer im neuen Wohnort eines karge Existenz aufbauen.
Dabei erleben sie allerhand Gemeinheiten, die zeigen, dass die Flüchtlinge damals nicht gerade bei allen willkommen waren.
Die Tochter muss überhaupt zunächst allein durchkommen, da sie am Tag der Deportation nicht anwesend war. Sie lernt unterwegs einen Burschen kennen, mit dem sie schläft (sie kennt den Vorgang schon von wiederholtem Missbrauch durch Erwachsene in einem Sommerlager) und der ihr Treue schwört, die er, der bald auf dem Schwarzmarkt und durch dunkle Geschäfte zu Geld kommt, auch hält, während die Tochter sich einen anderen sucht und mit ihm eine nicht lange haltbare Ehe eingeht.

Jirgl, Reinhard: Die Unvollendeten

Roman. dtv, 2007. 250 Seiten. 

Signatur: D / JIR

© W. Krisai, 2010